Nur mal kurz die Welt retten: Wie aus Verpackungsmüll ein neuwertiger Kunststoff wird

23. Mai 2018 Alle Artikel, Die APK in den Medien

Merseburger Recyclingfirma entwickelt mit „Newcycling“ ein völlig neues Verfahren

Merseburg – Seit 20 Jahren ist Mike Kaina (49) in der Recyclingbranche tätig. Hat Papier- und Kunststoffrecycling gemacht und auch für den Grünen Punkt gearbeitet. Vor zwei Jahren kam der Gubener dannnach Merseburg. „Denn das, was hier damals begann, ist etwas ganz Neues. Ich dachte: Das ist eine Mission, da willst du dabei sein.“

Was den heutigen Produktionschef und Vorstand Kaina so faszinierte, ist ein Verfahren, welches die Firma Aluminium und Kunststoffe AG (APK) entwickelt hat, und das aus Kunststoffabfällen mehr rausholen kann, als bisher möglich war. Das Zauberwort heißt „Newcycling“. „Die Methode kann außer uns in dieser industriellen Größenordnung noch niemand. Viele Verfahrensschritte sind patentiert“, erklärt Kaina.

Recycling-Werk im Gewerbegebiet Merseburg-Süd wird ausgebaut

80 Millionen Tonnen Kunststoff entstehen pro Jahr weltweit. In vier Jahren werden es 320 Millionen sein. 2018 lag die Recyclingquote bei knapp 40 Prozent.

„Bisher war die Vorgabe vom Staat, dass 36 Prozent der Sachen, die in der Gelben Tonne landen, recycelt werden müssen“, erklärt Vorstandssprecher Klaus Wohnig. „Das steigt ab 2019 auf 58,5 Prozent und 2022 auf 63 Prozent an. Damit muss auch das verwertet werden, was bisher außer Acht gelassen wurde oder schlechter verwertet werden konnte. Zum Beispiel Verbundstoffe – die werden bisher meist verbrannt.“

Deshalb hat APK das Newcycling-Verfahren entwickelt und baut das aktuell bestehende Recycling-Werk im Gewerbegebiet Merseburg-Süd für Newcycling aus. Kosten: rund 20 Millionen Euro. Die Testphase war vor rund einem Jahr gestartet worden und ist erfolgreich verlaufen. Ab November wird dann offiziell „newcycelt“.

Doch wo liegt der Unterschied zwischen beiden Verfahren?

Bei beiden Verfahren wird der Kunststoff zu 20 Millimeter kleinen sogenannten Flakes zerkleinert, gewaschen und getrocknet. Beim Recycling wird aus dem Material dann ein Granulat hergestellt, aus dem dann zum Beispiel Kübel, Baueimer, Plastikflaschen oder Rasengittersteine hergestellt werden können.

Beim Newcycling gibt man die Flakes zusammen mit einem organischen Lösemittel in riesige Behälter. Das Polymer löst sich in dem organischen Lösemittel auf und der Rest bleibt fest. Beides wird durch eine Art Zentrifuge voneinander getrennt. Die Flüssigkeit ist dann ein Gemisch aus Lösemittel und Polyethylen.

Wird dann das Lösemittel rausgezogen, erhält man reinstes Polyethylen. „ Auch Farbe und Geruch sind weitgehend verschwunden“, erklärt Kaina. „Beim Newcycling vergleichen wir uns mit Herstellern von Neuware – bis hin zu Folien, die dann wieder als Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden können. Das ist die Königsdisziplin.“ Und das würde auch Neuwarenpreis bedeuteten. Recycling-Granulat bringt finanziell nur die Hälfte ein.

50 Prozent der Merseburger Produktion gehen nach Asien

Im Augenblick verarbeitet APK vorrangig klassische Folien, die größer als A4 sind und zum Beispiel aus dem Haushaltsmüll kommen und von Sortierpartnern wie Remondis, Tönsmeier, und Alba angeliefert werden. Vieles sind aber auch saubere Folien, also Reste aus dem Bereich der Verpackungsindustrie.

Aktuell verarbeitet APK im Recyclingbereich 12.000 Tonnen Verpackungsmüll pro Jahr. Die Ausbeute an Granulat liegt hierbei bei 8.000 Tonnen. Im Augenblick gehe etwa 50 Prozent der Merseburger Produktion nach Asien. Man habe aber auch viele Kunden in Holland, Polen, Italien und natürlich Deutschland. „Wir liefern dorthin, wo die Kunststoffindustrie sitzt“, sagt Mike Kaina. „Was daraus entsteht, findet man in Baumärkten und den Gartenabteilungen.“

Der neue Betriebsteil wird ab November 8.000 Tonnen pro Jahr im Newcycling-Verfahren verarbeiten. Hier liegt die Ausbeute dann allerdings bei 100 Prozent, denn am Ende entstehen 8 000 Tonnen Material.

APK gehört nach eigener Aussage der Umweltallianz Sachsen-Anhalt an. Kaina: „Wir sind zwar mit dem neuen Verfahren ein Chemiebetrieb, aber wir sind auch ein Umweltunternehmen und retten damit ein Stück weit die Welt.“

Investition von gut 70 Millionen Euro

Die Firma APK investiert aktuell knapp 20 Millionen Euro in den Ausbau des bestehenden Werkes in Merseburg und plant darüber hinaus, ein zweites Werk am Unternehmensstandort zu errichten. Dieses Werk, in dem ebenfalls das neu entwickelte Newcycling-Verfahren angewendet wird, soll Ende 2020 in Betrieb gehen. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf gut 50 Millionen Euro, wie das Unternehmen gegenüber der MZ angab. Das neue Werk soll künftig zwischen 30 000 und 50 000 Tonnen Verpackungsmüll pro Jahr verarbeiten. Für das aktuell im Umbau befindliche Werk werden zusätzlich 20 Arbeitskräfte gesucht. Im neuen Werk sollen weitere 100 Jobs entstehen. Damit käme APK auf insgesamt 200 Beschäftigte am Standort Merseburg.

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